Kompass-newsletter Nr. 118 - 10/2023

 

Hot Spot System kollabiert - Maldusa zur Situation auf Lampedusa +++ 3. und 11. Oktober: 10 Jahre nach den Schiffsunglücken 2013 +++ 6.-8. Oktober: Aktionen gegen GEAS +++ Pro Asyl zur neuen Krisenverordnung +++ 10./11. Oktober in Brüssel: Moving Cities/Solidarity Cities reshaping migration +++  27. - 29. Oktober in Bologna: nächstes Treffen der Transnational Social Strike Platform +++ 28.10.-1.11.: Bundesweite Aktionstage gegen Asylbewerberleistungsgesetz +++ Echoes No.8: Struggles for Freedom of Movement +++ Refugees in Libya - new structures, new campaign +++ Relaunch des Webguide von Welcome to Europe +++

Liebe Freundinnen und Freunde.

Ursula von der Leyen in einem kleinen Life Raft nur für ein paar Stunden auf dem Mittelmeer aussetzen. Nancy Faeser und Annalena Baerbock nur einen Tag in einem Haftlager in Sizilien einsperren. Friedrich Merz zumindest einen Zahn ausschlagen… Wem kommen nicht solche Phantasien angesichts der neuen Welle rassistischer Hetze und menschenverachtender Gesetze? Unerträgliche Aussagen und Vorschläge von Politiker:innen nahezu aller politischer Parteien dominieren sämtliche Medien. Die herrschende Polykrise  - Krieg und Klima, fehlende Wohnungen und mangelnde soziale Versorgung - sucht ihre Sündenböcke und findet sie - welch Überraschung - in den Flucht- und Migrationsbewegungen.

Wir bleiben an der Seite derer, die es trotz und gegen alle eskalierte Gewalt im Mittelmeer oder im Balkan, die es trotz und gegen alle Externalisierungs- und Kriminalisierungsversuche über die Grenzen schaffen. Es sind gewachsene Communities und Migrationsketten, mit und in denen sich Schutz- und Perspektivsuchende durchsetzen. Über 200.000 Asylsuchende haben sich in diesem Jahr bis Ende August nach Germany durchgeschlagen, auch wenn der Frontex-Etat bald die Milliardengrenze erreicht. Über 130.000 Menschen sind über das zentrale Mittelmeer in Italien angekommen, auch wenn dort Postfaschist:innen regieren. Das gilt es nicht nur als alltäglichen Aneignungskampf anzuerkennen sondern (weiter) zu unterstützen: by any means necessary!            

Wir hatten bereits in der Septemberausgabe des Kompass die Ankünfte in Lampedusa in den Mittelpunkt gerückt. Angesichts der unglaublichen Dynamiken der letzten Wochen wollen und müssen wir es nochmal machen.

"Mit 112 Anlandungen und mehr als 5000 People on the Move, die Lampedusa an einem einzigen Tag erreichten, markierte der 12. September 2023 eine neue Stufe des Durchbruchs der Grenzen im zentralen Mittelmeer. ... Dieser erinnert - nicht in seiner Dimension, aber in seinen Momenten und in seinem Spirit - an den Sommer der Migration in der Ägäis und auf der Balkanroute im Jahr 2015: eine unbeständige Situation mit humanitären Krisen, Gewalt an den Grenzen und Todesfällen auf See einerseits und andererseits der kraftvolle Kampf um Bewegungsfreiheit mit Tausenden von Menschen, die das gewalttätige und rassistische Grenzregime überwinden."

Diese einleitenden Zeilen der neuen Ausgabe von „Echoes“ wollen wir mit einem längeren Zitat aus einem aktuellen Text bei medico international fortführen: „…Das als „Hotspot“ bezeichnete, von einem Zaun umgebene Lager für Geflüchtete auf Lampedusa hat offiziell Platz für 389 Menschen. Doch allein am 12. September haben 112 notdürftig zusammengeschweißte Boote aus Tunesien mit insgesamt mehr als 5000 Menschen die italienische Insel im Mittelmeer erreicht. An einem einzigen Tag hat sich die Bevölkerung der Insel verdoppelt, das Fassungsvermögen des ohnehin viel zu kleinen Lagers wurde gesprengt, die hohen Zäune überwunden. Jetzt stehen die zuvor unsichtbar gemachten Menschen mitten unter Bewohner:innen und Tourist:innen – und sie erfahren Solidarität. Aus der Unsichtbarkeit des Lagers geholt erwacht die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung auf Lampedusa mit den Menschen. Unsere Partnerorganisation Maldusa, die die Ankommenden auf Lampedusa unterstützt, beschreibt, wie die Geflüchteten mit Decken versorgt, Wasser, Pizzen und Arancini gereicht werden, Freiwillige Helfer:innen Bedarfe und deren Befriedigung klären... 

Während wir einmal mehr fassungslos vor einem eskalierenden Diskurs der Angst vor Migration stehen, zeigt Lampedusa – ebenso wie die Begrüßung der Syrer:innen 2015 oder die der Ukrainer:innen 2022 – wie freundlich und hilfsbereit der Umgang mit Menschen auf der Flucht sein kann. Ein Anlass zur Hoffnung auf ein Europa der Offenheit und Unterstützung, der Ankunft und der Ermöglichung des Zugangs zu Rechten, die einem jeden Menschen auf dieser Welt qua Geburt zustehen.“

In diesem Sinne, mit solidarischen Grüßen,

Das Kompass-Team