Kompass-newsletter Nr. 111 - 02/2023

 

6. Februar transnational: Dezentrale CommemorActions +++ 10. bis 12. Februar in Frankfurt: transnational Social Strike-Treffen +++ 19. Februar: Drei Jahre nach dem rassistischen Terroranschlag in Hanau +++ 24.-26. Februar in Osnabrück: We`ll Come United +++ 27./28. Februar in Niamey (und Online): Konferenz von Alarm Phone Sahara +++ Central Med: Echoes No. 4 +++ Central Med: Alarm Phone Analyse +++ UNFAIR Aktionstage in Genf +++ „The human despite all“: Artikel von Charles Heller +++ Border Forensics zu Frontex Drohnen im Mittelmeer +++ Rom: Bemerkenswertes Urteil im 10. Oktober 2013 Prozess +++ Publikation: Borders of Violence +++ Überblickszahlen zu 2022 +++  Rückblick: Oury Jalloh Demonstration 

Liebe Freundinnen und Freunde!

Der Jahresanfang verleitet zum bilanzierenden Rückblick auf 2022. Die Statistik zum letzten Jahr für Deutschland erscheint beachtlich: rund 1,2 Millionen Schutzsuchende sind hier angekommen. Davon rund 1 Million Menschen aus der Ukraine, die frei einreisen und relativ einfach einen sicheren Aufenthaltstitel erhalten konnten. Knapp 200.000 Menschen aus anderen Ländern - insbesondere aus Syrien, Afghanistan, Türkei, Irak - haben es geschafft, nach Deutschland zu gelangen und neue Asylanträge gestellt. Dies - also ohne Ukraine - ist die höchste Zahl seit 2015! Deren Schutzquote, also die Zahl der Anerkennungen, ist mit 56% so hoch wie nie. „Bereinigt“ um z.B. Ablehnungen wegen Dublin-Verfahren liegt sie sogar bei 72%. Und dazu kommen die gerichtlich gewonnenen Verfahren. 

Das sind beeindruckende Zahlen, die widerspiegeln, wie sich gegen alle Restriktionen und Hindernisse - trotz verschärfter Visa-Regelungen und trotz zunehmender staatlicher Gewalt an den europäischen Außengrenzen - die „People on the Move“ in tausenden „kleinen Kämpfen“ durchsetzen und dass sich Flucht- und Migrationsbewegungen weiterhin nicht aufhalten lassen.   

Während Frontex politisch in die Defensive geraten ist, ihr neuer Chef Besserung geloben und sich offiziell von der Push-Back-Politik distanzieren musste, sind die antirassistischen Unterstützungsnetzwerke zumindest nicht schwächer geworden. Beim Transborder Summer Camp im Juli 2022 waren nochmal mehr Gruppen und Aktive zusammengekommen als im Sommer 2019. Die zivile Rettungsflotte (Schiffe, Suchflugzeuge, Hotline) im zentralen Mittelmeer - ein anderer Gradmesser der Kontinuität für die Verteidigung von Menschenrechten - hat sich 2022 ebenfalls um einige weitere Akteure vergrößert. So weit einige positive Schlaglichter.

Eine Frage, die unlängst auftauchte und jede optimistisch angelegte Bilanz zu Recht ins Strudeln bringt: Kann es sein, dass die Netzwerkarbeit zwar stetig zunimmt, dass sich aber gleichzeitig das Grenzregime immer weiter brutalisiert? Das rassistische Massaker in Melilla im Juni 2022 als ein Beleg, die anhaltend hohen Todeszahlen im Mittelmeer als ein weiterer. Dazu kommen fortgesetzte Push-Backs an fast allen Außengrenzen und eine besonders entfesselte Gewalt an der griechisch-türkischen Grenze. Neue rechte und nationalistische Parteien als Regierungsunterstützer - wie in Schweden - oder sogar Postfaschisten an der Macht - wie in Italien. Die politische Landkarte der EU hat sich im letzten Jahr jedenfalls nicht zum Besseren oder gar Gerechteren entwickelt. Und da haben wir von Krieg und Krise, von Militarisierung und Klimanotstand, von zunehmender Verarmung und Prekarisierung noch gar nicht gesprochen…  

Nun, genau diese „großen“ Themen sind es, für die die Plattform für einen Transnational Social Strike vom 10. bis 12. Februar 2023 in Frankfurt Diskussionsräume schafft. Um in transnationaler Zusammensetzung darüber zu sprechen und sich auszutauschen, wie wir die immer komplexeren weltgesellschaftlichen Umbrüche und Widersprüche einschätzen, wie wir uns in ihnen bewegen und einmischen können und wollen. „Große Sprünge" sind daraus sicherlich nicht - oder zumindest nicht kurzfristig - zu erwarten. Aber vielleicht eine bessere Einordnung und auch Ermutigung für die vielen „kleinen Kämpfe“ um Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte, die wir 2023 in jedem Fall weiterführen werden. 

Mit solidarischen Grüßen,

die Kompass-Crew