Kompass-newsletter Nr. 93 - 03+04/2021

 

19.2. in Hanau und in vielen Städten: Gedenken, Anklage und Proteste ein Jahr nach dem rassistischen Terroranschlag +++ 26.-28.3. dezentral: Solidarität mit El Hiblu 3 +++ 17. April in Triest: Balkanroute calling - caravan for freedom of movement! +++ Abschiebewahnsinn geht weiter +++ Gerechtigkeit für die Moria 6! +++ Kriminalisierung von Mediterranea in Italien: Solidaritäts- und Spendenaufruf +++ Neue Hotline: Push Back Alarm Austria +++ History of CommemorAction in Griechenland +++ Welche Gesellschaft?!: Trossenstek für Kämpfe verbinden +++ Rückblicke: 9.2. transnational: CommemorAction +++ Ausblicke: Geplante Demonstration für 8. Mai in Kassel: Solidarisch gegen rechte Gewalt- Entnazifizierung jetzt; Zapatistas im Sommer auf Europa-Tour; Verschoben auf September in Palermo: Camp & Convergence

Liebe Freundinnen und Freunde,

In Hanau 2000, in Berlin 20.000 - viele Menschen sind rund um den 19. Februar in vielen Städten auf die Strassen gegangen, um den Angehörigen und Überlebenden des rassistischen Terroranschlags ihre Solidarität zu zeigen. Über mehrere Wochen hinweg hatten die Betroffenen in allen möglichen Medien die Kette behördlichen und polizeilichen Versagens vor, in und nach der Tatnacht zum öffentlichen Thema gemacht. Sobald die Pandemie es wieder zulässt - so die Vor-Verabredung mit Betroffenen-Initiativen in anderen Städten -  soll eine gemeinsame Großdemonstration gegen Rassismus, für gleiche Rechte und für die Gesellschaft der Vielen stattfinden. Die Stimmen aus Hanau werden jedenfalls nach dem Jahrestag nicht verstummen. Vielmehr tragen sie das Potential in sich, der Selbstorganisierung von Betroffenen rassistischer Übergriffe und Anschläge neue Impulse zu geben.

Letzte Nacht (28.02.21) traf die Crew unserer Sea-Watch 3 bei einem sechsten Seenotfall ein und wurde Zeugin von Europas menschenverachtender Migrationspolitik: Mit bereits 363 Menschen an Bord stabilisierte die Rettungscrew das Holzboot und forderte die zuständige Küstenwache auf, endlich einzugreifen. Stundenlang mussten etwa 90 Menschen auf Rettungsinseln ausharren, weil die maltesischen und italienischen Behörden nicht reagierten. Was eigentlich Pflicht auf hoher See ist, wurde wieder einmal zum Spielball europäischer Grenzpolitik. Nachdem endlich die Italienische Küstenwache sieben Stunden später eingetroffen war, konnte sie die Menschen evakuieren und sicher an Land nach Lampedusa bringen.“ 

Das sind die sich immer wieder wiederholenden Erfahrungen aus dem zentralen Mittelmeer, während nur einen Tag später, am 1. März, die italienische Polizei Hausdurchsuchungen gegen Mediterranea Saving Humans durchführt. Der immer gleiche Vorwurf gegen Seenotretter:innen: „Begünstigung illegaler Migration“. Der konkrete Fall: Mare Jonio, das Schiff von Mediterranea, hatte im September 2020 von einem Cargo-Schiff 27 Menschen nach Sizilien gebracht. Diese waren dort bereits 36 Tage festgehalten worden, weil Italien und Malta die Zuweisung eines sicheren Hafens verweigerten. Der längste Stand-Off der Seenotrettung, eine unmenschliche Freiheitsberaubung traumatisierter Überlebender, die Mediterranea mit einer medizinisch notwendigen und mutigen Aktion gebrochen hat. Solidarität und Spenden sind hier genau so nötig wie für die „El Hiblu 3“: am 28. März jährt sich zum zweiten Mal der Skandal der Kriminalisierung von drei jungen Migranten in Malta, die 2019 mitgewirkt hatten, einen von EU-Behörden angeordneten illegalen Push-Back nach Libyen zu verhindern.

Rassismus kennt viele Formen. Rassismus grenzt aus, verletzt, tötet. Überall. Kein Vergeben, kein Vergessen. Wir werden keine Ruhe geben. Nicht in Valetta, nicht in Moria, nicht in Hanau. 

Mit solidarischen Grüßen, 

die Kompass-Crew