Kompass-Newsletter Nr. 77 - April 2019

 

+++ Mare Jonio setzt offenen Hafen in Lampedusa durch! +++ 108 Geflüchtete erzwingen Anlandung in Malta!! +++ WTM Alarm Phone Treffen in Tunis +++ Ab 1.4. in Berlin, Oldenburg, München: Das Recht auf eine menschenwürdige Existenzsicherung gilt für alle Menschen – Gegen organisierte Leistungsverweigerung deutscher Behörden! +++ 6. bis 16.4. in neun Städten: Veranstaltungstour mit Aboubakari Razakou, Togoische Vereinigung der Abgeschobenen (ATE) +++ Am 27./28.4. in Dresden: We`ll Come United +++ Ab 2.5. Ausstellung in Berlin: Yallah – Über die Balkanroute +++ 10.-12.5. in vielen Städten: Aktionstage zu 100 Jahren Abschiebehaft +++ 17.-19.5. in Hamburg: Solidarity City beim Recht auf Stadt Forum +++ Alarm Phone Sahara: Webseite geht online +++ Ellwangen: Weiterkämpfen für Grund- und Menschenrechte für Alle +++ Ausblicke: 9.-14. Juli in der Nähe von Nantes/Frankreich: Transborder Summer Camp; ; 24. August: Großdemonstration in Sachsen; 31.8. in Büren: Grossdemo gegen 100 Jahre Abschiebehaft

LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE!

Mare Jonio, das Schiff der erst im Sommer letzten Jahres gegründeten italienischen Rettungsorganisation Mediterranea Saving Humans, hat unlängst eindrücklich demonstriert, wie selbst in Zeiten vermeintlich geschlossener Häfen die Rechte für Geflüchtete und MigrantInnen auf See durchgesetzt werden können. Am 18. März 2019 hat Mare Jonio 49 Menschen aus der „Todeszone“ gerettet, nur ganz knapp bevor die mit EU-Mitteln hochgerüsteten libyschen Milizen das Boot abfangen konnten. Mediterranea hat es kurz darauf nicht nur geschafft, gegen einen schäumenden Salvini die Anlandung in Lampedusa zu erzwingen, sondern rüstet sich mittlerweile bereits zur nächsten Mission. Denn das zunächst konfiszierte Schiff musste nach einem richterlichen Beschluss vom 27. März 2019 wieder freigegeben werden.

Zwei Tage später, am 29. März, setzt eine Gruppe von 108 Geflüchteten auf spektakuläre Weise ihre Rettung und Anlandung in Malta durch. Auf Anweisung der EU-Luftüberwachung waren die Schiffbrüchigen von dem Öltanker „Elhiblu1“ aufgenommen worden und sie sollten - in schon eingeübter unrechtmäßiger Weise - nach Libyen zurückgeschoben werden. Doch die Betroffenen leisteten Widerstand und konnten den kurz bevorstehenden Push Back zurück in die Hölle der Lager abwenden. „Mit anderen Worten: Die 108 Flüchtlinge, unter ihnen 31 Frauen und Kinder, haben sich erfolgreich und legitimerweise gegen die Entführung durch die EU-Staaten zurück nach Libyen gewehrt“ (FFM). Dennoch soll mehreren Jugendlichen, zwei davon noch minderjährig, nun der Prozess wegen Geiselnahme und sogar „Terrorismus“ gemacht werden, und dieser „Skandal im Skandal“ erfordert eine breite Solidarisierung mit den Angeklagten.

49 Gerettete in Lampedusa, 108 in Malta: zwei Mut machende aktuelle Beispiele der Solidarität und Selbstorganisation aus dem zentralen Mittelmeer, das ansonsten zur Hauptbühne der tödlichen EU-Ausgrenzungspolitik geworden ist. Letzter Akt: Die Eunavfor Med Operation zieht ihre Schiffe ab, um auf keinen Fall mehr in die Verlegenheit einer Rettung zu kommen. Stattdessen wird komplett auf Luftüberwachung umgestellt, deren Daten dann zwecks effektiverer Abfangoperationen an die libyschen Milizen gehen. Die Vorverlagerung, die Externalisierung des Grenzregime, soll am Beispiel von Libyen perfektioniert werden und der Verdacht liegt nahe, dass dies nicht trotz sondern wegen der dortigen systematischen Menschenrechtsverletzungen vollzogen wird. Rassistische Abschreckung um jeden Preis, die sich zeitgleich in einer gigantischen Aufrüstung von Frontex, an den fortlaufenden Charterabschiebungen nach Afghanistan oder im „Geordnete-Rückkehr“-Gesetzeswahn des deutschen Innenministeriums wiederspiegelt.

Doch Mare Jonio und „Elhiblu1“ zeigen, wie umkämpft selbst die zentrale Mittelmeerroute bleibt. Und das gilt umso mehr für die Ägäis und die Passage von Marokko nach Spanien, wo es noch offener ist, ob und welche neuen Dynamiken die Hartnäckigkeit der Migration dort in den kommenden Monaten entfalten kann. Die Solidaritätsbewegungen „from the Sea to the Cities“ bleiben in diesen umkämpften Räumen ein gewichtiger Faktor, und sie verlängern sich in die Kampagnen für gleiche Rechte, gegen den Abschiebeterror und für solidarische Städte. „Gegen Ausschluss und Kriminalisierung von EU-Bürger*innen – Existenz sichernde Leistungen für alle, die hier leben!“ fordert das Netzwerk Europa in Bewegung mit ersten Aktionen Anfang April. „100 Jahre Abschiebehaft – 100 Jahre unschuldig in Haft“ lautet der Titel der bundesweiten Kampagne, mit dezentralen Protesten vor sämtlichen Abschiebeknästen im Mai. Und in weiteren Städten kommen Initiativen für BürgerInnenAsyl in Gang, um sich konkret und praktisch den Abschiebungen in den Weg zu stellen. Join the Anti-Abschiebungsindustrie!

Mit solidarisch-antirassistischen Grüßen,

die Kompass-Crew

P.S.: Mit dem Frühling starten wir mit einem neuen frischen Layout. Wir danken einer Hamburger Freundin für die Idee und Konzipierung.